Auf dem Weg zu einer interkulturellen Pastoral

     

 

Vor einem Jahr, am 14. Dezember 2020, haben die Schweizer Bischofskonferenz und die Römisch-katholische Zentralkonferenz mit der Broschüre «Auf dem Weg zu einer interkulturellen Pastoral» ein Gesamtkonzept für die Migrationspastoral vorgelegt. Dorothee Foitzik gibt einen Einblick in die Grundsätze.

Die Grundsätze der Handreichung geben die Richtung an, im Folgenden werden Leitsätze, Massnahmen und Empfehlungen für die verschiedenen Ebenen und beteiligten Gruppen entfaltet.

Zuwanderung, kulturelle und religiöse Vielfalt werden in Teilen der Gesellschaft als bedrohlich und als nachteilig für das Zusammenleben und den Wohlstand in der Schweiz erachtet. Die damit verbundenen Fragen können in Gesellschaft und Kirche zu Konflikten führen. Eine glaubwürdige Migrationspastoral setzt voraus, dass die katholische Kirche sich für konstruktive Suche nach Konfliktlösungen einsetzt und dabei auf die Chancen und die Bereicherung der Zuwanderung aufmerksam macht – auch mit Blick auf die Wirtschaft, das Gesundheitswesen und andere Lebensbereiche.

 

Kirche in einer postmigrantischen Gesellschaft

Angesichts der Tatsache, dass Mobilität, Migration, kultureller und religiöser Pluralismus die Gesellschaft und die katholische Kirche in der Schweiz dauerhaft prägen, gewinnt das Verständnis der Einheit der Kirche als «Gemeinschaft in Vielfalt» neue Bedeutung. Jedwede Pastoral ist herausgefordert, den unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen von einzelnen Menschen, Gemeinschaften und Zielgruppen gerecht zu werden. Mit ihren kulturellen, sprachlichen, religiösen und spirituellen Prägungen sollen sie ihre eigene Identität als glaubende, hoffende und liebende Menschen pflegen und entwickeln und sich auch in die Gemeinschaften und das kirchliche Leben einbringen und es bereichern.

 

Lernchancen für alle

Im verstärkten Miteinander und bewussten und wertschätzenden Nebeneinander hat die Begegnung auf Augen- höhe und das gegenseitige «Voneinander-Lernen» einen hohen Stellenwert. Menschen, die ihre gewohnte Umgebung verlassen haben oder verlassen mussten, sind damit ein hohes Wagnis eingegangen. Sie bezeugen, dass das Leben wertvoll, aber auch verletzlich ist und dass es notwendig sein kann, etwas aufs Spiel zu setzen, zu riskieren, Grenzen zu überwinden. Gleichzeitig können Menschen, die in ihrer Lebenswelt verwurzelt sind, für Stabilität und Zusammenhalt sorgen, Voraussetzungen für eine gleichzeitig offene und solidarische Gemeinschaft schaffen. Sie bezeugen, dass Zusammenleben nur gelingen kann, wo Menschen aufeinander Rücksicht nehmen, mit dem Gewachsenen respektvoll umgehen und bereit sind, sich in ein grösseres Ganzes einzufügen.

Ob Zugezogene oder Ortsansässige – alle bilden durch die eine und gemeinsame Taufe die katholische Kirche in der Schweiz und begegnen sich gegenseitig mit Achtung und Respekt. Unterschiede bereichern und beleben. Wo sie zu Spannungen führen, werden diese ernst genommen. Begegnungen und Zusammenarbeit sind von gegenseitigem Interesse und einer positiven und lösungsorientierten Kritik- und Streitkultur geprägt.

 

Die sprachliche und kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen ist eine Querschnittsaufgabe

Die Unterscheidung zwischen herkömmlicher Pfarreiseelsorge und Seelsorge für Migrantinnen und Migranten wird den heutigen Realitäten nur teilweise gerecht, die Grenzen und Übergänge sind mancherorts fliessender geworden. Auch in den herkömmlichen Pastoralstrukturen arbeiten Seelsorgende mit einer Migrationsgeschichte – und manche Seelsorgende arbeiten gleichzeitig in einer Sprachgemeinschaft und in einer Pfarrei oder einem Pastoralraum. Die Migrationspastoral ist damit Thema aller, die in der Kirche Mitverantwortung tragen, ob sie nun in herkömmlichen Pastoralstrukturen, in Sprachgemeinschaften oder in weiteren kirchlichen Kontexten tätig sind.

 

Teilhabe, Wertschätzung und Lösungsorientierung

Die sprachliche und kulturelle Vielfalt sowie die unterschiedlichen religiösen und spirituellen Prägungen sind bei allen pastoralen, organisatorischen und finanziellen Planungen und Entscheidungen sowie im pastoralen Alltag angemessen zu berücksichtigen. Migrationsbezogene Bedürfnisse werden wahrgenommen und berücksichtigt, bestehende Angebote migrationssensibel gestaltet. Die Gläubigen werden von Anfang an aktiv miteinbezogen, die Zusammenarbeit ist von Teilhabe, Wertschätzung und Lösungsorientierung geprägt.

Alle Kirchenmitglieder leisten ihren materiellen Beitrag zur Finanzierung des kirchlichen Lebens. Dementsprechend ist auch den pastoralen Bedürfnissen der Kirchenmitglieder mit Migrationshintergrund angemessen Rechnung zu tragen. Der Einsatz der finanziellen Mittel erfolgt gerecht, trägt dem verstärkten Miteinander Rechnung und berücksichtigt, dass die Grenzen zwischen der Finanzierung der Migrationspastoral und jener der übrigen pastoralen Aufgaben fliessender werden. Zudem braucht es Mittel für übergreifende Vorhaben, die das Miteinander fördern, sei es für Aus- und Weiterbildung, Sensibilisierung oder mehrsprachige pastorale Vorhaben. Dabei ist den unterschiedlichen finanziellen Rahmenbedingungen je nach Kanton und den Gemeinde Rechnung zu tragen.

 

Spezifische Angebote der Migrationspastoral

Spezifische Angebote der Migrationspastoral sollen dem Subsidiaritätsprinzip folgend auf der Ebene angesiedelt werden, auf der sie sinnvoll umgesetzt werden können; dies unter Berücksichtigung der notwendigen Einbindung in ein grösseres Ganzes. Die Situation vor Ort soll für die Wahl von Modellen für die Organisation der Pastoral ausschlaggebend sein. Die auf den verschiedenen Ebenen für pastorale Strukturen, Finanzen und Organisation zuständigen Verantwortungsträger arbeiten transparent und pragmatisch zusammen.

 

Pastorale und diakonische Angebote für besonders verletzliche Gruppen

Der Bereitstellung pastoraler und diakonischer Angebote für besonders verletzliche Gruppen unter den Migrant- innen und Migranten wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dazu gehören jene, für die es besonders schwierig ist, in der Schweiz Fuss zu fassen: Angehörige von Sprachgemeinschaften, die neu ankommen und keine seelsorgerlichen Angebote in ihrer Sprache und Kultur vorfinden, Geflüchtete, Vertriebene und Migrant/innen in der Nothilfe und ohne geregelten Aufenthalt oder in Aufnahme- und Rückkehrzentren. Die vorrangige Orientierung an den Bedürfnissen der besonders Verletzlichen ist auch beim Einsatz der für die Migrationspastoral bestimmten Ressourcen zu beachten.

 

Im Rahmen der Weiterbildung «Pastoral in einer Kirche der Vielfalt» des TBI werden einzelne Aspekte der Handreichung von SBK und RKZ wissenschaftsbasiert und praxisorientiertausgeleuchtet und konkrete Aufgaben  bearbeitet, die sich für Pastoral, Katechese, Diakonie und Bildungsarbeit daraus ergeben.