Theologie für alle. 50 Jahre Theologie im Fernkurs

     

 

«Theologie für alle. Die Bedeutung theologischer Bildung für die Glaubenskommunikation» lautete das Thema des Studientages, den «Theologie im Fernkurs für den 24. April anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums geplant hatte. Dieser Studientag sowie das anschliessende Jubiläumswochenende vom 25./26. April mussten wegen der Coronakrise leider abgesagt werden. Zum Glück haben die vorgesehenen Referierenden ihre Beiträge dennoch in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt, so dass die vorliegende Festschrift dennoch realisiert werden konnte.

 

Die Festschrift setzt sich aus zwei etwa gleich langen Teilen zusammen, die sich gut ergänzen. Im ersten Teil sind die genannten Beiträge zum Thema des Studientags dokumentiert. Sie stammen von renommierten Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen: Ute Leimgruber (Pastoraltheologie), Joachim Schmiedl (Kirchengeschichte), Hans Joachim Sander (Dogmatik) und Thomas Söding (Neues Testament).

Im zweiten Teil wird von Insidern die Geschichte von «Theologie im Fernkurs» ausführlich und lebendig nachgezeichnet, wobei der Herausgeber für die ersten 40 Jahre auf frühere Arbeiten zurückgreifen konnte und diese überarbeitet und aktualisiert hat. Die Entwicklungen und Umbrüche des letzten Jahrzehnts ergänzt der Herausgeber und heutige Leiter von «Theologie im Fernkurs», Thomas Franz, in einem eigenen Beitrag.

 

Der zweite Teil, die Geschichte von «Theologie im Fernkurs», dokumentiert ein wesentliches Element neuester Theologie- und Kirchengeschichte in Deutschland, nämlich die Bemühungen der deutschen Bistümer, interessierte Frauen und Männer theologisch auszubilden und teilweise als Quereinsteigende auf Einsätze in kirchlichen Berufen vorzubereiten. So förderte «Theologie im Fernkurs» die nachkonziliare Emanzipation der Kirche aus der Fixierung auf die Kleriker und die konkrete Umsetzung des neuen konziliaren Kirchenverständnisses: Kirche als gemeinsam verantwortliches und gestaltendes Volk Gottes auf dem Weg. Immer wieder werden in diesem geschichtlichen Abriss explizit Querverbindungen zu den Wiener theologischen Kursen und zu «Theologie für Laien» bzw. theologiekurse.ch (heute Theologische Grundbildung am TBI) in Zürich sichtbar gemacht. Die drei Schwesterinstitute treffen sich denn auch alljährlich zu einem intensiven Austausch über Erfahrungen und gesellschafts- und bildungspolitische Veränderungsprozesse, über die kirchliche Grosswetterlage und Strategien der Werbung, über neue theologische und methodisch-didaktische Herausforderungen (vgl. S. 200).

 

«Theologie für alle.» Das bedeutet eine riesige Übersetzungsleistung der fachtheologischen Erkenntnisse in eine allgemeinverständliche und lebensnahe Sprache, die auch ohne spezifische Bildungsvoraussetzungen nachvollziehbar ist. Sie wurde möglich in enger Zusammenarbeit mit den deutschen Bistümern und mit Fachleuten an den theologischen Fakultäten.

 

«Theologie für alle.» Was dies heisst, loten die Beiträge im ersten Teil des Buches aus. Ute Leimgruber verortet dies im Umbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils und vertieft es eindrücklich im Rückgriff auf das Verständnis des Laienapostolats bei Joseph Cardijn. Dieser setzte sich ein «für ein umfassendes, entgrenztes Verständnis von Apostolat» (32) der Laiinen und Laien, wehrte sich ausdrücklich gegen die traditionelle Trennung von Weltdienst (der Laien) und Heilsdienst der Kleriker) und förderte eine entsprechende theologische Bildung von Laien und Laiinnen. Insofern bleibt Cardijn bahnbrechend für das, was die Würzburger Fernkurse seit 50 Jahren als ihr Kerngeschäft pflegen: die theologische Bildung aller und damit zugleich die Autorisierung aller (42-44).

Für diese Autorisierung aller ist auch die historische, die kirchen- und theologiegeschichtliche Bildung von grossem Nutzen, wie Joachim Schmiedl nicht zuletzt mit Bezug auf den synodalen Weg der deutschen Kirche zeigt. Der historische Blick offenbart viel Gewordenes als zeitgebunden, relativ und veränderbar. Das gilt selbst für Rechtsvorschriften, die in Stein gemeisselt scheinen, wie z. B. die enge Verbindung von Weihe- und Jurisdiktionsgewalt, die die Macht auf die Hierarchie konzentriert (61). Diese Sicht wird unterstützt durch den Rückblick auf die didaktischen Bemühungen in frühchristlicher Zeit von Thomas Söding: von Anfang an ging es der Kirche auch um Allgemeinbildung, bei der selbst Sklavinnen und Sklaven oder Witwen wichtige Aufgaben als Lehrende wahrnahmen (101-108). – Allerdings verlangen die gesteigerte Komplexität des Lebens, die höchst problematische Situation der Kirche und die zunehmende Plausibilität des Unglaubens in der heutigen Gesellschaft nach neuen Perspektiven.

 

«Mehr vom Glauben wissen» (das Langzeitmotto von Theologie im Fernkurs) kann hier helfen, denn heute muss jede und jeder selbst den Glauben glauben und verantworten, wie Hans-Joachim Sander betont (69-72). Das Mehr-Wissen über den Glauben führt zum Mehr-Glauben im Sinne von eigenständigerem Glauben, und dies wiederum fördert die kirchliche Selbstrelativierung, die heute spirituell unumgänglich ist, um mitten in der säkularen Gesellschaft wirklich «Gott auf die Spur zu kommen» (83).

 

«Theologie im Fernkurs» ist eine vielseitige und anregende Festschrift gelungen, ein Buch, das auch ohne Festakt und Studientag bestens funktioniert. Mögen viele Leserinnen und Leser sich davon inspirieren lassen.

Felix Senn

 

Thomas Franz (Hg.), Theologie für alle. 50 Jahre Theologie im Fernkurs, Echter Verlag, Würzburg 2020