Every Day for Future

     

 

Ortstermin in Zürich an einem warmen Tag im Mai 2021. Anlässlich der Besichtigung neuer Bildungsräume in einem grundwassergekühlten Gebäude bemerkt der junge Mann, der einen Saal ohne Klimaanlage vorführt, mit einem Augenzwinkern: «Naja, im Sommer kann es hier schon heiss werden. Aber es gibt eben keine Klimagerechtigkeit ohne Leiden».

Nicht für das Leiden aber für «Suffizienz», also das Genug-Haben mit weniger Konsumobjekten, plädiert Katrin Bederna, Leiterin der Abteilung Katholische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (D), in ihrer Monographie «Everday for future. Theologie und religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung».

 

Theologisieren muss nachhaltigkeitsrelevant sein

Bederna greift Inhalte und Voraussetzungen religiöser Bildung für nachhaltige Entwicklung aus dem Blickwinkel der systematischen Theologie auf, exemplarisch unter den drei Aspekten Schöpfung, Mensch und Armut. Sie erläutert verschiedene Schöpfungstheologien und grenzt sich von herkömmlicher Schöpfungstheologie sowie von sogenannter «Umweltbildung» ab. Ähnlich wie Andreas Benk[1] betont sie, dass die Schöpfungserzählungen nicht «rückwärts», also begründend, sondern «vorwärts», also vorausweisend, als Geschichten der Hoffnung, gelesen werden müssen.  Des Weiteren setzt sie sich mit den anthropologischen Grundannahmen auseinander, vor allem mit dem Freiheitsverständnis. Freiheit und Gerechtigkeit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern der Gegensatz ist zu überwinden im Hinblick auf die Freiheit aller. Es muss die Handlungsfreiheit aller gegeben sein. Bildung muss dem geforderten globalen Gemeinwohl dienen.

Eine positive Sichtweise des Reduzierens geht einher mit der Haltung, die nachhaltige Entwicklung befördert. Leitend könnte die theologisch begründete «Armut» sein, wie sie in monastischen Traditionen zu finden ist. Auch die neuere europäische mystische Theologie biete Orientierung, da sie das «frei von» anstelle des «genug an» lebt.

Bederna hebt die sozialethische Perspektive des Klimawandels hervor und stellt das Prinzip «Nachhaltigkeit» neben die anderen sozialethischen Prinzipien der Personalität, Solidarität und Subsidiarität. Nur zusammen zielten sie auf umfassende Gerechtigkeit. In der Tradition des Theologen und Erziehungswissenschaftlers Helmut Peukert[2] spricht sie sich aus für eine «Transformationsbildung in messianischer Perspektive».

 

BNE – kein Bildungsinhalt, sondern Basis einer Bildungsreform

Bildung für nachhaltige Entwicklung, wie sie von den Vereinten Nationen gefordert wird,  unterscheidet sich gemäss Bederna von «Nachhaltigkeit» als Bildungsinhalt im (Religions-)Unterricht, denn es gehe hier nicht um ein bildungsrelevantes Thema neben anderen, sondern um nicht weniger als die Basis einer Bildungsreform, die ein enges Zusammenspiel aller Unterrichtsfächer sowie der verschiedenen schulischen und gesellschaftlichen Ebenen benötigt. Diesen zehn didaktischen Prinzipen sollen nicht nur im schulischen Kontext für (religiöse) Bildung für nachhaltige Entwicklung leitend sein: emanzipatorisch, partizipationsorientiert, handlungsorientiert, zukunftsorientiert, schöpfungsorientiert, vernetzt und vernetzend, ethisch orientiert, politisch dimensioniert, korrelativ, ästhetisch und spirituell.

Durch religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sollen Schüler und Schülerinnen nicht (nur) zu einer Haltung der Nachhaltigkeit geführt werden, sondern sie sollen sich selbst bilden, indem sie sich selbst in Beziehung setzen zu Freiheit und Nachhaltigkeit. Um vom Wahrnehmen ins Handeln zu kommen, bedürfe es zusätzlich des Willens und der Entschlossenheit zur Neuorientierung, dies sei auch eine Frage der Spiritualität. Bederna schlägt zusätzlich ein BNE Service Learning vor, ein Weg ausserschulischen Lernens mittels (freiwilligen) Engagements für das Gemeinwohl. Bei der Organisation des Lernens ist davon auszugehen, dass Probleme und Lösungen von den Lernenden selbst gefunden und nicht von den Lehrpersonen vorgegeben werden. Die Sichtweisen der Schülerinnen und Schüler sind wichtig, sie sollen in die Aufbereitung der Themen von Anfang an eingebunden werden. Nur so können die Interessen der Lernenden umgesetzt und die daraus resultierenden Ziele erreicht werden. Every Day for Future.

Dorothee Foitzik Eschmann

 

 

[1] Andreas Benk, Schöpfung – eine Vision von Gerechtigkeit. Was niemals war und doch möglich ist, Ostfildern 2016

[2] Helmut Peukert, Die Logik transformatorischer Lernprozesse und die Zukunft von Bildung, in: Edmund Arens (G.) geistesgegenwärtig. Zur Zukunft universitärer Bildung, Luzern 2003, 9-30

 

 

Katrin Bederna. Every Day for Future. Theologie und religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung, 292 S., Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag 2020