Bildung und Pastoral neu zusammen denken

     

Gut 90 Verantwortliche aus Pfarreien, kantonalen, diözesanen und schweizweit tätigen Institutionen folgten der Einladung zur TBI-Eröffnungstagung am 20. März 2017 nach Zürich. Eigens konnte der Institutsleiter, der die gelungene Veranstaltung moderierte, den Präsidenten des Bildungsrates der katholischen Kirche in der Deutschschweiz, Abt Urban Federer, den Präsidenten der deutschsprachigen Ordinarienkonferenz DOK, Martin Kopp, sowie als ‚Hausherrn‘ des C 66, Generalvikar Josef Annen, begrüssen. Ebenso wie die anwesenden Mitglieder des Bildungsrats und des Trägervereins des TBI unterstrichen sie wie zahlreiche weitere Bistumsvertreter mit ihrer Präsenz: das TBI ist das neue Bildungsinstitut der deutschschweizerischen Bistümer.

Christiane Bundschuh-Schramm, Hauptabteilung Pastorale Konzeption des bischöflichen Ordinariats der Diözese Rottenburg-Stuttgart, zeigte neue Wege der Entdeckung und Kommunikation des Evangeliums heute auf. Sie setzt auf SinnsucherInnen. Da Kirchenbeziehungen mehrheitlich passager, temporär und biografisch-situativ seien, brauche es zeitgemässe Rituale und seelsorgliche Zuwendung, spirituelle Übungs- und Reflexionsorte der Lebenspraxis, die die Entwicklung von Christsein ermöglichen. Statt den diffusen Transzendenzglauben der Mehrheit als defizitär abzuwerten, sei liebevolle Aufmerksamkeit gefragt. Eine dialogisch-impulsgebende Pastoral, die das christliche Repertoire an die säkulare Existenz heutiger Menschen anschliesst. Gerne machen wir in dieser PRISMA-Ausgabe die Kernthesen von Christiane Bundschuh-Schramm für den Gesprächsaustausch zugänglich zusammen mit einem Bericht von Dorothee Foitzik über dieses Atelier.

 

Entdeckungsräume des Evangeliums in Zeiten kirchlicher Verflüssigung

Rainer Bucher, Pastoraltheologe an der Universität Graz, legte den Fokus auf die Bildungspastoral. Die christliche Religion teile das Ziel jedes Bildungsprozesses, die Menschwerdung, und fasse es als Menschwerdung vor Gott und in Gottes Liebe. Ein Zurück zur Kirche als geschlossenes System mehr oder weniger homogener Biografien, Doktrinen und kultureller Milieus sei angesichts der Verflüssigung der Kirchen als religiöse Herrschaftssysteme unmöglich. Vielmehr solle sich Erwachsenenbildung am neuen Pastoralbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils ausrichten, der die kreative Konfrontation von Evangelium und Existenz in Wort und Tat meint.

So könne Erwachsenenbildung ein herausgehobenes Experimentierfeld darstellen, auf dem die säkulare Bedeutsamkeit des Glaubens und der religiöse Sinn des Säkularen in den Kontrasten der Gegenwart entdeckt werden. Solche Entdeckungsräume zu ermöglichen, damit das Evangelium Ereignis wird, ist Sinn und Ziel aller Kirchenentwicklung. Vor den harten Themen der Gegenwartskultur dürfen Kirche und Bildung nicht ausweichen. Vielmehr solle sich gerade kirchliche Bildungsarbeit der drohenden Exkulturation des Christlichen um der Inkulturationsfähigkeit des Glaubens und wegen dessen konkreter Existenzbedeutsamkeit entgegenstellen. Die Kernthesen von Rainer Bucher hat Felix Senn um Diskusssionssplitter aus dem Atelier ergänzt.

 

Neue Perspektiven für Personal- und Kirchenentwicklung

Ausgehend von kirchliche Stellenausschreibungen, die morphologisch erstarrte Kirchenberufsbilder spiegeln, regte Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts SPI und Geschäftsführer der Pastoralkommission der SBK, Verlernprozesse für die Begegnung mit Neuem und Unbekanntem an.

Religiosität und Spiritualität suchen heute neue Formen, dies verlange auch andere Konzepte von Beruflichkeit der Kirche. Wer orientiert an der Vergangenheit nur Niedergang wahrnehme, sei ideenarm und auf verzweifelte Weise langweilig. Ausschliesslich negative Bewertungen dieser Entwicklung müssten regelrecht ver-lernt werden, um neue Bilder von Seelsorgenden, neue zukunftsträchtige kirchliche Handlungsfelder und Kompetenzen jenseits bisheriger Kirchturmlogiken zu entdecken.

(Weiter-) Bildung ist ein Schlüssel zum konstruktiv-kreativen Umgang mit der offenen Situation grundlegenden Wandels, dessen Entwicklungsrichtung nicht klar, nicht eindeutig und nicht bekannt ist. Im TBI-PRISMA 2/2017 können Sie Arnd Bünkers Themenimpuls nachlesen. Er verdient es, über die angeregt diskutierende Ateliergruppe hinaus bekannt gemacht zu werden. Am dichtesten geriet der Austausch über Erfahrungen, die die Teilnehmenden des Ateliers mit dem Stichwort Verlernen verbinden. Das Spektrum reichte von positiv besetztem Aufbruch, Überwindung von Tunnelblick und freier Sicht bis hin zum Stress, Halt und Sicherheit vermittelnde Denk- und Verhaltensroutinen tatsächlich hinter sich zu lassen.

Eine Podiumsdiskussion mit Franz Kreissl (Leiter des Pastoralamts des Bistums St. Gallen und Vizepräsident des TBI-Trägervereins), Monika Jakobs (Professorin für Religionspädagogik an der Universität Luzern und Vizepräsidentin des Bildungsrats D-CH), Daniel Kosch (Generalsekretär der RKZ), Ralph Kunz (Professor für praktische Theologie und in der Leitung des Zentrums für Kirchenentwicklung sowie des Centers fort he Study of Christian Spirituality der Universität Zürich) sowie Claudia Mennen (Leiterin der Fachstelle Bildung Propstei Wislikofen und Delegierte der Römisch-katholischen Kirche im Aargau im TBI-Trägerverein) verdichtete abschliessend Eindrücke der Tagung im Blick auf die kirchliche Bildungslandschaft der Schweiz.

 

Bildungslücken und gute Wünsche für das TBI

Die Wertschätzung von Bildung als einem eigenen Ort von Pastoral und Kirche wurde lebhaft begrüsst. Zugleich wurden vermehrte Bildungsanstrengungen für Erwachsene angeregt, das Christentum sei keine Kinderreligion. Die katechetischen Anstrengungen im Kinder- und Jugendalter, so wichtig sie auch sind, sind allein nicht nachhaltig. Es brauche vielmehr lebensbegleitende Lern- und Reflexionsmöglichkeiten, ja, evtl. abgestuft differenzierte Entwicklungswege.

Zudem wurde betont: Bildungsprozesse können erst entstehen, wo ich mich selber als Suchender begreife. Wo Kirche durchschnittsgelähmt erscheine, gelte es die Glaubenskommunikation derer zu fördern, die sich in ihr engagieren. Dadurch ist insbesondere die Selbstreflexivität der Hauptamtlichen gefordert.

Die gegenwärtigen Veränderungen nicht als persönliche Demütigung wahrzunehmen, setze einen spirituellen Prozess voraus. Nicht nur, aber gerade in der berufsorientierten Weiterbildung müsse daher die Förderung fachlicher Kompetenzen und die Identitätsbildung Hand in Hand gehen.

Gefragt, wozu sie dem TBI in 10, 15 Jahren gerne gratulieren möchten, wurden Wünsche laut wie: Das TBI solle Intellektualität, Spiritualität und Solidarität verbinden und zu einem Ort werden für die praxisbezogene Bildung kirchlicher Mitarbeitender auf der Höhe der Zeit entsprechend dem Leitbild des Konzils. Zu einer Agentin der Wandels, die die Kirche der Deutschschweiz mit wegweisenden Projekten wirksam unterstützt.

Deutlich wurde aber auch formuliert: Damit es das TBI in 10, 15 Jahren gibt, müsse es von möglichst vielen in der Kirche der Deutschschweiz sowohl von ‚oben‘ als auch von ‚unten‘ getragen werden.

In seinem geistlichen Schlusswort benannte Abt Urban Federer mit Meister Eckhart und Papst Franziskus die mystische und prophetische Dimension, die es in Bildung und Pastoral zu suchen und zu fördern gelte. Bei Meister Eckhart ist Bildung ein Prozess, in dem der Mensch sich durch Gott formen lässt, um immer mehr sein Ebenbild zu werden. Papst Franziskus gehe es in erster Linie darum, Haltungen und Mentalitäten zu verändern. Mit dieser Ermutigung verband Abt Urban den Wunsch, auf dem Wirken des TBI möge Gottes Segen liegen.