Impulsgebende Pastoral am Beispiel des Projektes Sinnsucher

     

Das Projekt Sinnsucher  hatte Dr. Christiane Bundschuh-Schramm im Rahmen ihres Vortrags anlässlich der TBI-Eröffnungstagung als eine Möglichkeit der zeitgemässen religiösen Kommunikation vorgestellt: Sinnsucher  will die Kommunikation des Evangeliums ermöglichen.[1]

Um das Evangelium angemessen bezeugen zu können, brauche es vier Kompetenzen:

  • Zeugnis-Kompetenz: Mit der eigenen Person können die Argumentationslücke geschlossen werden;
  • Lydia-Kompetenz: Die Purpurhändlerin trägt Gott im Herzen und lädt in ihr Haus ein (Vgl. Apg 16,14 f.);
  • Martha-Kompetenz: Martha traut sich, theologisch zu sprechen und zu streiten. Auch am Herd entdeckt sie Gottes Gegenwart (Vgl. Joh 11,17-27; siehe auch die Interpretation von Maria und Martha durch Meister Eckart);
  • Vorläuferkompetenz: Der Täufer verweist von sich weg auf das Ereignis des Evangeliums (z.B. Joh 1, 23-27).

Im Atelier am Nachmittag entspann sich zunächst eine engagierte Diskussion mit Dr. Bundschuh-Schramm vor dem Hintergrund ihres Vortrags vom Vormittag sowie auf der Basis ihrer Thesen zur impulsgebenden Pastoral.

 

Das „Ermöglichen“ steht im Zentrum

Gewürdigt wurde zunächst die Analyse im Referat vom Vormittag und der Ansatz einer impulsgebenden Pastoral angesichts des gesellschaftlichen Wandels. Der Austausch unter den gut 20 Teilnehmenden mit der Referentin widmete sich dem Zueinander der Arbeit mit verschiedenen Adressatengruppen im pastoralen Alltag. Wie kann eine Vermittlung geschehen? Impulsgebende Pastoral wird eher temporär organisiert, sie rechnet mit Menschen, die punktuell zur Kirche in Kontakt treten, sie will die Kommunikationspartner nicht in eine bestehende Gemeinschaft integrieren. Daneben wollen Seelsorgende auch ihrer bleibenden Verantwortung gegenüber den Gemeindemitgliedern gerecht werden. Welche Kompetenzen braucht es in welcher Situation, und was heisst das für die konkrete Umsetzung im kirchlichen Alltag?

Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die zu richten, die sich am Prozess des Ermöglichens der Kommunikation beteiligen. Freiwillig Engagierten innerhalb einer Gemeinde soll „impulsgebende Pastoral (…) Christsein ermöglichen und Räume schaffen für religiöse Auseinandersetzung und Praxis, die Freude macht, das Leben bereichert und sonst keinem Zweck dient. Eine impulsgebende Pastoral will niemanden zu etwas bewegen, was er/sie nicht will. Sie will weder integrieren noch andere Nebeneffekte erzielen“[2]. Diejenigen, die initiativ werden und sich – punktuell –  engagieren wollen, sollen ermächtigt und unterstützt, aber nicht für anderes „eingespannt“, werden.

Für das ermöglichende Handeln der Hauptamtlichen kann die Reflexion auf die vier Interventionspositionen hilfreich sein, die im Bereich der soziokulturellen Animation von Heinz Moser et al. entwickelt wurden: „Animator/Animatorin“, „Organisator/Organisatorin“, „Mediator/Mediatorin“ und „Konzeptor/Konzeptorin“. Die Rolle der Hauptamtlichen wechselt ständig, je nachdem mit welchen Menschen sie zu tun haben, und ist mit spezifischen Methoden und Fähigkeiten verbunden[3].

 

Das kommt in die Tüte!

Zu Ende des Ateliers gab die Referentin eine kurze Einführung zu einer so genannten „Gesprächstüte“ aus dem Projekt „Sinnsucher“. Die Referentin hatte für alle Teilnehmenden eine Gesprächstüte zum Thema „Auf Leben und Tod“  mitgebracht – die Impulse daraus waren passend zur bevorstehenden Passionszeit und zum Osterfest. Im Rahmen des Sinnsucher-Projekts liefern die Gesprächstüten Material zu verschiedenen existentiell bedeutsamen Themen. Eine Gesprächstüte ist ein Couvert im C 5-Format, es enthält verschiedene, z.T. spielerische Impulse zur Gesprächseinladung über Fragen und Themen der Sinnsuche und des Glaubens. Die Impulse sollen religiöse Kommunikation ermöglichen, auch unabhängig von bekannten kirchlichen Sozialformen. Sie bieten – in dialogischer Ausrichtung – christliche Deutungen im Plural an. Da die Gesprächsanregungen spielerisch angelegt sind, kann selbst das Thema „Tod“ mit einiger Leichtigkeit angegangen werden, wie das vorgestellte Beispiel zeigte.

Die Gesprächstüten können in bereits bestehenden Gruppen oder in Freundeskreisen zum Einsatz kommen. Sie könnten, so die Referentin, auch zu einem Treffen im Café oder Restaurant mitgenommen werden. Eine gewisse Analogie sehe ich zu den nächtlichen Lagerfeuer-Gesprächen in der kirchlichen Jugendarbeit: Kirchliche Mitarbeitende müssen jederzeit fachlich vorbereitet und sozial kompetent sein, wenn Lebens- und Glaubensfragen in nicht als „kirchlich“ etikettierten Situationen zum Thema werden. Sollte in dieser Logik ein/e kirchliche/r Mitarbeiter/in auch immer eine Gesprächstüte oder ähnliches dabei haben, wenn er/sie mit Erwachsenen ausserhalb der als „kirchlich“ geltenden Räume und Zusammenhänge unterwegs ist?

Einen Teil der Impulse aus der Gesprächstüte haben wir im Anschluss an die Tagung im Austausch mit einer Gruppe von erwachsenen Menschen verschiedenen Alters erprobt, die sich wohl selbst als „Sinnsuchende“ bezeichnen liessen. Die Gruppe setzt sich zusammen aus Menschen, die Interesse an spirituellen Themen und dem Austausch darüber haben. Nicht alle sind im Rahmen kirchlicher Zusammenhänge engagiert, allerdings bilden (punktuell) freiwillig Engagierte die Mehrheit. Zusammengefunden haben sie auf die Initiative einer Spurgruppe von drei Personen hin, sie wurden persönlich angesprochen. Die Impulse aus der Gesprächstüte stiessen in dieser Gruppe auf gute Resonanz, wohl auch, weil bereits eine vertrauensvolle Gruppenatmosphäre und Gesprächskultur herrschen und gepflegt werden. Die Gesprächstüte ist ein Beispiel für die Glaubenskommunikation auf Augenhöhe. Die Impulse in der „Tüte“ lösen die postulierte Freiheit und Wertschätzung ein, die als Haltung hinter einer impulsgebenden Pastoral beschrieben sind. Beim Initiieren der Sinnsucher-Gespräche ist m. E. sorgfältig auf den Gruppenbildungsprozess zu achten.

 

 

[1] Vortrag von Dr. Christiane Bundschuh-Schramm am 20.03.2017

[2] Vgl. Thesen von Dr. Christiane Bundschuh-Schramm am 20.03.2017

[3] Moser, H. & Müller, E. & Wettstein, H. & Willener, A.: Soziokulturelle Animation. Grundfragen, Grundlagen, Grundsätze. Luzern: Verlag für Soziales und Kulturelles, 1999.