Mit Charme gewinnen – kämpfend vorangehen

     

 

Eine wirklich charmante Idee, eine Frau und einen Mann miteinander ins Gespräch über ihre Spiritualität zu bringen, die auf ihre je eigene Weise nicht nur die Katholische Reform des 16. Jahrhunderts beeinflusst, sondern auch nachfolgende Generationen geprägt haben! Entstanden ist ein gewinnbringendes kleines Buch.

 

In einer Publikation der Reihe «Ignatianische Impulse» lassen die Autorin Theres Spirig-Huber und der Autor Karl Graf Teresa von Ávila und Ignatius von Loyola zu Wort kommen.

Im fiktiven Austausch auf der Basis der biografischen und geistlichen Schriften wird deutlich, wie stark das Mann- bzw. Frausein sowie ihre unterschiedliche Herkunft die Lebens- und Handlungsmöglichkeiten der Ordensgründerin und des Ordensgründers geprägt haben und wie sich diese biografischen und kontextuellen Aspekte in ihrer jeweiligen Spiritualität und ihren theologischen Werken niederschlagen.

 

Im ersten Teil des Buches setzen sich die beiden mit ihren unterschiedlichen Lebensbedingungen in der spanischen Welt des 16. Jahrhunderts auseinander. So durchbrachen Teresa und Ignatius auf je eigene Weise die traditionellen Rollenerwartungen ihrer Zeit.

 

Von Teresa, der Mystikerin, Visionärin, Reformerin und Ordensgründerin sind Sätze bekannt wie: „Wenn Rebhuhn dann Rebhuhn, wenn Fasten dann Fasten.“ Oder: „Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Auch ist sie überzeugt, dass „Gott will, dass der Mensch seinen Spass hat.“ Teresa von Ávila ist eine Suchende, zugleich lebenslustig und höchst selbstkritisch. Teresa hatte jüdische Wurzeln, ihr Grossvater hatte in der Zeit der Reconquista sich und seine Familie taufen lassen und war Christ geworden. In der Darstellung des Autorenteams ist dies möglicherweise mit ein Grund dafür, dass Teresa sich zunächst anpassen wollte, aber an der Äusserlichkeit des Lebens und den vorgegebenen Frömmigkeitsübungen im Kloster litt und erst durch das innere Gebet und die Zwiesprache mit Jesus als ihrem guten Freund zu ihrer Spiritualität findet – in einem Fortschreiten ins Innere der Seele.

 

«Wer Exerzitien verstehen will, muss Ignatius von Loyola (1491–1556), Gründer des Jesuitenordens, kennenlernen» (Bruno Brantschen SJ). Ignatius von Loyola stammte aus adligem, so genannt «altchristlichen» Geschlecht. Als junger Mann träumte er von einer Karriere als Ritter und Edelmann. Nach einer Kriegsverletzung zerbrechen seine Fantasien jedoch und er stürzt in eine tiefe Krise. Ans Bett gefesselt, gerät er in eine tiefe Krise und wendet sich mittels Lektüre anderen «Helden» zu. Er beginnt Geschichten über das Leben Jesu und der Heiligen zu lesen. Hin- und hergerissen zwischen seinem ursprünglichen Ideal des Lebens als Ritter und seiner zunehmenden Faszination für das Leben der Heiligen, beschliesst er schliesslich, sich völlig der Freundschaft mit Jesus und dem Dienst an Gott zu widmen. In der «Unterscheidung der Geister», im Hören auf die innere Stimme lernt er seinen Weg zu Gott kennen, den Gott ihm zugedacht hatte: Ignatius sieht fortan seine Berufung darin, anderen zu helfen, ihren Weg zu finden. Das Exerzitienbuch «Geistliche Übungen» schrieb er als Anleitung für Suchende auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen.

 

Auf der Suche nach einer tragenden, tiefen Gottesbeziehung verliessen Teresa und Ignatius die Wege der vorherrschenden theologischen Konzepte und jeweils gültigen Anleitungen für ein gelingendes Leben mit Gott. Beide unternahmen enorme Anstrengungen, um mit aussergewöhnlicher Ordens- und Klostergründung ihren Einsichten Form und Struktur zu geben. Der Referenzpunkt der fiktiven Begegnung ist die Radikalität ihrer spirituellen Suche – bei aller Unterschiedlichkeit der gesellschaftlich und biografisch bedingten Wege.

 

Das kleine Buch ist leicht zu lesen, durch die humorvolle Darstellung der beiden Gesprächspartner ist es zugleich unterhaltsam und macht Appetit auf mehr. Diejenigen, die die Schriften der Teresa von Avila und des Ignatius von Loyola kennen, führt dieses Buch auf leichtfüssige Weise in die Tiefe. Für alle anderen ist es eine Einladung, sich verstärkt mit der Protagonistin und dem Protagonisten des Gesprächs, ihrem jeweiligen Lebenswerk und spirituellen Ansatz zu beschäftigen.

 

Dorothee Foitzik Eschmann

 

 

Karl Graf und Theres Spirig-Huber, Mit Charme gewinnen – kämpfend vorangehen. Teresa von Avila und Ignatius von Loyola im Gespräch über Geschlecht und Spiritualität (Ignatianische Impulse), Echter Verlag 2020