Jugendliche begleiten – Beteiligung ermöglichen

     

Anlässlich der Jugendsynode im Oktober 2018 haben sich die Synodalen verpflichtet, der Jugendpastoral in allen Diözesen den Vorrang zu geben. Die Bischöfe haben den Jugendlichen zugehört und im Abschlussdokument den Wert des Zuhörens für die gesamte Kirche betont. Den Stimmen der Jugendlichen wird zugesprochen, als „loci theologici“ die Zeichen der Zeit zu erschliessen.[1] In der Begleitung der Jugendlichen wird das Handeln Jesu zum Vorbild gewählt, wie es in der Emmaus-Perikope überliefert ist. Jugendlichen soll jedoch nicht nur zugehört werden, sie sollen begleitet und beteiligt werden. Jugendliche werden so zu Protagonisten des Wegs der Kirche mit der Jugend. Gefordert ist eine echte Beteiligung der Jugendlichen.

Jugendbischof Alain de Raemy betonte laut Communiqué der Schweizer Bischofskonferenz, dass jeder Bischof herausgefordert sei, Initiativen zu fördern, die allen Jugendlichen eine konkrete Unterstützung im Lichte des Glaubens bieten. An der Bischofssynode sei daran erinnert worden, dass es keine bessere Evangelisierung der Jugendlichen gäbe als jene, die von Jugendlichen gestaltet werde; nicht aber ohne Einbezug der Erwachsenen.[2]

 

Professionelle Idealisten

Viele Jugendseelsorgerinnen und Jugendseelsorger sowie andere Verantwortliche der kirchlichen Jugendarbeit in der Schweiz haben schon im Vorfeld der Jugendsynode sorgfältig gearbeitet, sie haben Jugendliche und sich selbst am Prozess beteiligt und sie werden sich im Nachgang der Umsetzung widmen[3]. Für die Jugendpastoral in der deutschsprachigen Schweiz bedeutet diese neue Option für die Jugend sicherlich die notwendige Aufwertung der kirchlichen Jugendarbeit in den Pastoralräumen und Seelsorgeeinheiten, wo sie noch keinen angemessenen Platz hat.

Die Jugendpastoral in der deutschsprachigen Schweiz orientiert sich an den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen und entwickelt auf der Basis der Fachwissenschaften entsprechende Impulse und Programme. Im Hinblick auf die entscheidende Frage der Umsetzung der Erkenntnisse der Synode sei auf bestehende Ansätze verwiesen, die viele Anliegen schon aufnehmen bzw. flexibel auf neue Bedürfnisse reagieren. Für die zeitgemässe Ausrichtung der Katechese und des konfessionellen Religionsunterrichts mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden im «Leitbild Katechese im Kulturwandel»[4] verschiedene Leitsätze formuliert.

 

Selbstverpflichtung der Jugendseelsorgerinnen und Jugendseelsorger

Für die kirchliche Jugendarbeit gilt die Selbstverpflichtung der Jugendseelsorgerinnen und Jugendseelsorger, die so genannte «Magna Charta»[5]. Die Magna Charta des Vereins Deutschschweizer JugendseelsorgerInnen gibt Orientierungsansätze für eine gelingende kirchliche Jugendarbeit. Hinzu kommen spezielle Haltungspapiere und Grundlagen der Jugendverbände Jubla und VKP sowie die Ausrichtung der Jugendbewegungen zum Weltjugendtag und der Gemeinschaften wie Adoray. Einen guten Überblick über die Konkretion der kirchlichen Jugendarbeit in allen Grundvollzügen der Kirche gibt die Arbeitshilfe „Jugend: Kirchliche Jugendarbeit“ des Bistums Basel, die ihrerseits auf verschiedene massgebliche Dokumente verweist[6]. Ergänzt wird die Arbeitshilfe durch das Dokument „Jugendpastoral im Pastoralraum. Grundsätze, Richtlinien, Arbeitshilfen.“[7]

 

Organisierte Freiheit – Jugendarbeit in der katholischen Kirche

Das Buch von Dominik Schenker, ehemals Co-leiter der Deutschschweizer Fachstelle für kirchliche Jugendarbeit[8], gibt zum einen aufschlussreichen Einblick in die Entwicklung der kirchlichen Jugendarbeit in der deutschsprachigen Schweiz seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Zum anderen bietet es einen guten Überblick über Theorien und Ansätze, aus denen sich professionelle kirchliche Jugendarbeit speist: Die Soziokulturelle Animation, die subjektorientierte Jugendarbeit und die lebensweltliche resp. sozialräumliche Jugendarbeit. Diese Ansätze prägen in der deutschsprachigen Schweiz die professionellen Haltungen und die Theoriebildung in der kirchlichen und kommunalen Kinder- und Jugendarbeit, so Schenker zu Beginn des umfangreichen Einblicks[9]. Für die kirchliche Jugendarbeit im Besonderen waren und sind prägend Ansätze der Diakonischen Jugendarbeit und das Konzept der mystagogischen Jugendarbeit.

 

Mystagogie als professionelle Haltung der Jugendarbeitenden

Schenker bietet einen praxisbezogenen Überblick zum Ansatz der mystagogischen Jugendarbeit, wie sie Herbert Haslinger in den 1980er Jahren, basierend auf der Theologie Karl Rahners entwickelt hat. „Eine mystagogische Jugendarbeit will ermöglichen, dass gemeinsam Erfahrungen gedeutet und existenzielle Fragen in einer geeigneten Form bearbeitet werden können: Dazu stellen sich die Jugendarbeitenden als von den Fragen Mitbetroffene, Mitsuchende und Mitdenkende zur Verfügung und sorgen für Zeit und Raum, die diese Bearbeitung erleichtern, und zwar als radikale Frage-Gemeinschaft im Sinn von Eugen Fink.“[10] Für Schenker ist eine Stärke der kirchlichen Jugendarbeit, dass sie über eine hohe Erlebnisdichte, einen Unterbruch der alltäglichen Selbstverständlichkeiten, über Zeit und geeignete Settings verfügt, welche den Rahmen für radikale Fragegemeinschaften bilden können. Gemäss Schenker müssen die Jugendarbeitenden „jedoch die Spannung aushalten, dass radikale Fragegemeinschaften weder planbar noch häufig sind – da eine existenzielle Fragestellung auf eine passende personal-räumlich-zeitliche Konstellation treffen muss“[11].

Den primären Sitz des methodisch geplanten mystagogischen Lernens sieht Schenker hingegen eher dort, „wo eine geplante Thematisierung des Religiösen zur Grundanlage gehört. Dies ist etwa der Fall in der Katechese, bei der Firmung ab17/18 und in der Arbeit mit Jugendlichen/Jugendgruppen, die an einer bewussten theologischen und/oder spirituellen Auseinandersetzung interessiert sind(…)“[12] Er verweist in diesem Zusammenhang auf den Ansatz von Priska Filliger Koller[13]. Unter dem Motto der „aktiv gestaltenden Mystagogie“ betont Filliger Koller den Wert des aktiven Bewusstmachens der Tiefendimension der eigenen Existenz in der kirchlichen Jugendarbeit, des pro-vocare, des auffordernden und herausfordernden Handelns kirchlicher Jugendarbeitender. Es wird deutlich, dass bezüglich der Beteiligung Jugendlicher die verschiedenen Felder der Jugendpastoral immer gleichzeitig bedacht werden müssen.

 

Kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Auf die entscheidende Frage, wer aus der Perspektive der Beteiligung der Jugendlichen zur Umsetzung der Erkenntnisse der Jugendsynode gewonnen werden kann, sei auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirchlichen Jugendarbeit verwiesen. Die Deutschschweizer Kirche verfügt an vielen Orten über Fachpersonen, die Kinder und Jugendlichen professionell begleiten und sich als Begleiterinnen und Begleiter von Gruppen und Einzelpersonen verstehen. Die Kinder und Jugendlichen werden nach Möglichkeit an den Prozessen beteiligt oder ihnen wird Beteiligung ermöglicht.

Mitarbeitende in der kirchlichen Jugendarbeit verfügen über ein breit gefächertes Spektrum an Kompetenzen, das sie auf verschiedenen Ausbildungswegen erworben haben oder berufsbegleitend erwerben. Neben der Ausbildung am religionspädagogischen Institut Luzern oder dem Studium der soziokulturellen Animation an einer Hochschule oder an einer höheren Fachschule, beispielsweise Gemeindeanimation, bietet der Bildungsgang Kirchliche Jugendarbeit eine qualifizierte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeit. Der Bildungsgang wird von einem Ausbildungsverbund verschiedener kantonalkirchlicher und diözesaner Fachstellen verantwortet und ist bei ForModula akkreditiert[14]. Aktuell haben vier weitere Personen die Ausbildung abgeschlossen und werden in Kürze ihren Fachausweis „Kirchliche Jugendarbeiterin“ resp. „Kirchlicher Jugendarbeiter“ erhalten. Wir gratulieren Michaela Bauer, Alexandra Gulmini, Patrizia Hinrichs sowie Mario Lovric ganz herzlich!

Kirchliche Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter verfügen in der Regel über Kompetenzen in der Arbeit mit Freiwilligen, vor allem mit den älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Jugendverbänden. Deshalb baut das neue Funktionsprofil „Kirchliche Freiwilligenanimatorin / kirchlicher Freiwilligenanimator“ auch auf den Kompetenzen auf, die vor allem kirchliche Jugendarbeitende bereits erworben haben und beispielsweise in der Begleitung von jugendlichen Leitungspersonen der Verbände oder von ihrer Arbeit Initiativgruppen von Jugendlicheren umsetzen. Erweitert wird die Tätigkeit auf die Animation und Begleitung von verschiedenen Erwachsenengruppen, beispielsweise in den Pastoralräumen[15].

 

Follow up zur Jugendsynode am Fachzentrum kirchliche Jugendarbeit KOJ

Eingangs fand Erwähnung das vielfältige Engagement einiger Jugendseelsorgerinnen und Jugendseelsorger im Vorfeld und während der Jugendsynode. Die Arbeit geht weiter, insofern lohnt es sich, auch in Zukunft auf der Website des KOJ, des Kompetenzzentrums für Jugendpastoral, vorbeizuschauen.

 

[1] Abschlussdokument der Synode, zitiert bei Eva-Maria Faber. Die Jugendsynode als Lernschritt zu einem synodalen Stil der Kirche, Chur 29.10.2018 (kath.ch)

[2] Communiqué 322

[3] Kompetenzzentrum Jugend der römisch-katholischen Kirche der Deutschschweiz (KOJ)

[4] Leitbild Katechese im Kulturwandel

[5] Magna Charta

[6] Arbeitshilfe Kirchliche Jugendarbeit

[7] Jugendpastoral im Pastoralraum

[8] Dominik Schenker, Organisierte Freiheit Jugendarbeit in der katholischen Kirche. Ein Handbuch. Theologischer Verlag Zürich 2017

[9] Schenker, Organisierte Freiheit, 153

[10] Schenker, Ebd., 223

[11] Schenker, Ebd., 224

[12] Ebd., 225

[13] Priska Filliger Koller, (Hg.) geistvoll. Werkbuch Spiritualität in der kirchlichen Jugendarbeit. St. Gallen, Verlag am Klosterhof, 2012

[14] Bildungsgang Kirchliche Jugendarbeit

[15] Berufsfelderweiterung Kirchliche Freiwilligenanimation